Dranmor II,1b

(Zwischennutzung)

Ein grosser Raum. Eine Halle. Ehemalige Turnhalle des nun stillgelegten Gymnasiums. Nicht stillgelegt, alles andere als still: Zwischengenutzt. Zur Zwischennutzung freigegeben, bis auf weiteres, man habe sich Gedanken gemacht. Ursprünglich wollte man ein Museum, ein weiteres Museum – wie der Barkeeper ironisch bemerkte – in dieser Stadt ansiedeln. Diese Pläne seien vorerst verworfen. Nun also: Die ehemaligen Klassenzimmer – subventionierte Ateliers, Underdogs, Kunststudenten. Eine freundschaftliche Atmosphäre. Die Turnhalle, weitläufig, nun Kneipe und Bar, Ausstellungs- und Vernissagenort. Unsere Augen wandern, tasten die Umgebung ab. Roman interpretiert ein Bild an der Wand aus der Ferne. Kaum sichtbare Skelette, nur in dieser Beleuchtung, nur aus diesem Winkel zu sehen, diskutierend, gestikulierend, manirierte Haltungen, der Hintergrund: aquarelles Rosa ins Hellblaue, schimmernd, je nach Lichteinfall. Er kenne die Künstlerin persönlich, eine Münchnerin – sehr charmant. Das Bild aus einer „Skelettserie“, wie man sie bezeichne. Vanitas, sein Ansatz. Er möchte darüber einen Vortrag halten.

Ich will das Thema wechseln, umkreise ihn mit Fragen, die sich mit seiner jüngsten Vergangenheit beschäftigen, er weicht geschickt aus. Eine vage Andeutung hier – eine Ausrede da, bis ich aufgebe. Tagespolitik, weder sein noch mein Gebiet. Wie kann man sich auch im Ausland einmischen, sich ständig im Ausland über heimische Dinge informieren? Ein Interesse verbleicht. Was liess uns zusammenkommen? Er scherzt. Er pflegte einen frischen Humor, unverstellt, beherrscht ihn immer noch, hatte nicht verlernt, sein Gegenüber zu unterhalten und zu fesseln. Ich habe in diesem Land nun schon öfter erlebt, dass peinliche Gesprächspausen entstehen können, wenn ein Diskussionsfaden reisst oder sein Ende erreicht. Die Angst der Leute etwas Neues zu beginnen – der Schritt eines Einzelnen in Richtung Neuland, fremdes Terrain, diesen Schritt alleine zu machen, etwas aufzureissen, ein Muster, ohne den Rückhalt der Anderen. Konkordanzphänomen.

Nicht so Roman, aber Roman war – wie ich – auch nicht von hier. So liesse sich leicht kritisieren. Was ich aber vermisste, ein verwandtes Konzept. Banal: Heimat.

Er müsse weiter, hätte noch Dinge zu erledigen – es habe nichts mit mir zu tun. Wir versichern uns gegenseitig, das es ein nettes Zusammentreffen war, dass man es bald wiederholen sollte – ich würde noch etwas bleiben. Musik schwillt an, mit ihr die Lautstärke der Gäste und ich kann seine letzten Worte kaum verstehen. Er klopft mir auf die Schulter und verlässt den Raum. Von der Balustrade der Kneipe bis zur Hallenmitte sind es nur ein paar wenige Treppenstufen, dann Schritte. Ich positioniere mich vor den Skeletten. Sie verschwinden tatsächlich, wenn ich mich wenige Meter nach rechts oder links bewege. Ein erstaunlicher Effekt.

In der Wohnung ist es kühl und ich reisse die Fenster auf, plane frischgelüftete Räume zu heizen. Komme in Fahrt. Hausarbeiten machen mir nichts aus, wenn es sich um meine eigenen vier Wände handelte: Wäsche zu waschen, Geschirr zu spülen – alles eine Frage der richtigen musikalischen Untermalung: Erst die alte Plattenkiste, dann die verschiedenen CD-Stapel, das Kramen in der Schuhschachtel mit den verstaubten Bootlegs: The Bones, Fatal Energy. Die Kassette macht ein beunruhigendes Geräusch im Anlauf, das aber bald von Schlagzeug und Gitarren übertönt wird. Ich giesse eine traurige Yuccapalme. Morgen ist Altpapiertag und noch ein paar Bündel akkurat zu schnüren und auf die Strasse zu stellen. Dort ist ein Knäuel Schnur und woanders eine Schere. Ich mache mich an einem ersten Paket zu schaffen. Zuoberst: Wieder dieser fettige Artikel: Dort wo die Tannen stehn. Wie hiess denn gleich dieser Typ? Ein gewisser Dranmor. Ich lege ihn noch einmal beiseite.

Dranmor II,1a

(Floskeln)

Kalt erwachen. Sich dann an den Schreibtisch setzen. Lieber Roman. Ist er denn lieb? Sehr geehrt ist jeder, der nicht lieb oder Hallo ist. Guten Morgen vielleicht. Ist er denn gut? Vielleicht ist er es ja noch. Guten Mittag ist schlecht und wie Guten Abend noch nicht Zeit dazu. Es ist Morgen. Hallo Roman, also. Meine Strassenbahn fährt in einer halben Stunde. Es fahren noch andere – früher, später. Ich will aber meine Tram, die mit den immergleichen grauen Gesichter. Meines gehört dazu und ich will nicht, dass sie sich sorgen. Sechsundzwanzig Minuten also für den ausführlich gedachten Brief. Papier liegt da, ein Bleistift ist schnell gespitzt. Eine kleine Gedankenskizze hatte ich mir vor dem Einschlafen zurechtgelegt. Eine Zusammenfassung mit dem unausgesprochenen Fazit: Ich bin alleine, könnte etwas Gesellschaft brauchen, würde sonst vielleicht etwas komisch werden. Sei er es auch – wir wären schon zu zweit. Erst eine Seite, dann Zwei. Eine für ihn, eine für mich. Fragen. Antworten. Dann Streichungen, immer mehr Streichungen. Zuletzt ein paar wenige Sätze. Paraphrasen.

Ob man sich wieder einmal treffen könne. Ich hatte zuvor solle geschrieben, dann verworfen – gerne auch mal abends. Ich hätte den Rest der Woche noch nichts geplant, hätte von einer neu eröffneten Kneipe gehört … Das passt getrost auf eine Karte. Hässliche Karten. Unangemessene Karten in meinem Kartenkasten. Die meisten bedruckt mit schablonenhaften Wörtern, Sätzen, die keinen Sinn ergaben – nicht in diesem Zusammenhang. Hässliche Briefmarken. Unangemessene Briefmarken, die den Sinn des nicht- oder falschverständlichen Drucktextes, des ganzen Ensembles, ästhetischen Kartenbrimboriums mit dem noch von mir Hinzukommenden zu einer vollständigen Umkehrung des eigentlich Mitzuteilenden verführt hätte, Verwirrungen ausgelöst hätte, denke ich mir, bekäme ich eine solche Karte.

Das zu Sagende schmilzt langsam zu zwei handlichen Sätzen. Ich schreibe eine Email anstelle. So viele Gedanken um nichts, um ein paar wenige Byte. Send. Ich schicke ab und bedanke mich leise für die Sendebestätigung, fahre hastig in meine Jacke, den Laptop herunter, die Treppe, die Türe zu. Das Gas. Jeden Morgen die gleiche Frage am Treppenabsatz vor dem Haus, ob ich das Gas abgestellt hatte. Jeden Morgen der Gang zurück, die Treppe hinauf. Die Überprüfung des Hebels über dem Herd. Jeden Morgen das plötzliche Erinnerungsbild mit fast haptischer Präsenz: Der Hebel wurde natürlich umgelegt – gleich nach dem Vollschenken der Tasse. Hinunter, hinaus.

Ich erreiche die Strassenbahn dennoch in vorgeblichem Schlenderschritt. Dieselben Gesichter an der Haltestelle. Vereinzeltes Kopfnicken. Sie haben nichts bemerkt.

Ich beginne zu Arbeiten, als ob Arbeit irgendwo begönne. Ich habe alle Kolleginnen und Kollegen freundlich begrüsst, meine Jacke an einem dafür vorgesehenen Hacken gehängt, meine Plastikbox mit dem Pausenbrot, die Wasserflasche dort aufgebaut, wo ich sie immer aufzubauen pflege. Wo sie aufzubauen ist, der wenigen Möglichkeiten wegen.

Benutzernamen und Passwörter werden mir abverlangt, um endlich das tun zu können, was man von mir erwartete. Ich überprüfe als erstes den Posteingang. Ein paar Werbemails. Sitzungsprotokolle. Eine Antwort von Roman. Er sei einverstanden. Morgen Abend sei ein guter Zeitpunkt; man könne sich gerne nach der Arbeit um Sechs in jener ehemaligen Turnhalle – ob ich das wüsste -, nun eine Künstlerbeiz, wie er es nenne, treffen. Er fände die Leute dort seltsam. Seltsam auf eine angenehme Art. Angenehm seltsam. Ihm gefalle das Seltsame – es ziehe ihn an. Wenn er nichts mehr von mir höre, sei es also abgemacht.

Dranmor I,5

(Ventilation)

Ein ohrenbetäubendes Geräusch weckt mich aus einem Blättertraum. Pilzpaare tanzten, feierten Hochzeit unter einem Baum. Keine Tanne. Nadeln zwischen meinen Zehen, aber eine Birke. Birkenblätter umschmeicheln Keulenpilze und andere Fungi. Rara. Das Summen, das bei solcherlei Anlässen entsteht, hob an, immer lauter. In der Ecke des Baum-Cafés, furnierte Tische wohin man blickte, darüber ein Herrgottswinkel, am Kreuz baumelte eine Uhr, darunter die obligatorische Bildersammlung, heilig: Ein Marktplatz, Pflastersteine als Schwämme in einer frühen Morgenstunde, ein anderes: Roman, sie – wir drei auf der Terrasse eines Restaurants. Ein Langneseschirm, Heute frische Morchelsuppe auf einer Tafel. Adam und Eva wurden beim Vögeln erwischt, ein weiteres Bild. Ein Apfel kann das bezeugen, auch eine Schlangenfrau. Die Schlange als Postbotin mit gelber Schildmütze. Sie schlängelte sich nach ihrer Zeugenschaft durch das Unterholz und verendete auf einem Stapel Altpapier.

Spannende Lektüre. Ein Summen wird motorisch. War da Benzin? Ich schlafe schlecht zur Zeit – ob man das untersuchen müsste …? Die roten Schuppenflechten an meinen Oberarmen kann ich problemlos verstecken.

Warum habe ich den Rucksack noch nicht verstaut? Er liegt wie ein trauriger Hund unter der Heizung. Auch das Geräusch ist nicht das einer Kettensäge, aber ähnlich. Ich winde mich aus meiner Decke, erhebe mich von der Matratze und gehe zum Fenster. Punkt acht Uhr. Ende der Nachtruhe. Städtische Angestellte blasen mit grossen Ventilatoren Blätter von den Gehsteigen der Strasse. Warum an einem Samstag?

Dranmor I,3a

(Selbst ein Vielgereister)

Warum ich also in den Regalen Staub wische, den Boden erst mit dem Staubsauger, dann mit einem feuchten Tuch aufnehme? – Es gibt doch andere, wichtigere Dinge zu tun … Ich kümmere mich um mich selbst, wenn ich abends von der Arbeit komme. Mein Selbst, das, was man vielleicht als solches bezeichnen möchte, das sind die Dinge, die ich bewohne, in zweiter Linie sind das auch der Boden, die Regale, die ich bald mit Büchern befüllen werde, sind dann auch die Schränke in der Küche, die gereinigt wurden, soviel ist zu erkennen, aber dennoch Gilb, dünne Schichten öligen Films über der Kochstelle zeitigen. Reste, Geschichten unbekannter vorgängiger Zutaten, die ich nicht sehen, hören oder riechen will, die einzeln vielleicht einmal bekömmlich waren, jetzt aber fremde Folie sind, stinkend und klebrig.

Meine zwei Henkeltassen, ein paar Teller, tiefe und weniger tiefe, stehen bereit auf dem Küchentisch, warten einsortiert zu werden, nun: Nur noch dieser eine Wandschrank – letzter Tresor, der meiner Aneignung harrt, der Säuberung mit einem fremden Papiertuch. Altes angeschimmeltes Zeitungspapier liegt auf dem Schrankwandboden als möchte es etwas verstecken, verbirgt aber nichts und ich bin bereit, dieses zu beseitigen.

Eine Quartiersschrift aus den Sechzigerjahren, etwas ist unterstrichen, schwer leserlich, ein Name, Strassenname – Schönsteinweg entziffere ich, formerly known as Junkerngasse, spreche ich zu mir selbst, übersetze ich flapsig, das also meine Strasse – aha, sie hat also Geschichte, meine Strasse, und ich stelle mir den kleinen Stolz des vorletzten Lesers dieser Schrift vor, der diese Unterstreichung veranlasste. Der Vielgereiste, so der Titel der Kolumne Anstösser. Hier hatte also einer gewohnt, auf den die Nachbarschaft stolz war, ihn zumindest bemerkenswert fand, obwohl die Strasse nicht seinen Namen trug. Eine kursive Einlassung – Ein vergilbtes, verfallenes Gedicht, ich rekonstruiere zwei Zeilen:

Dort wo die Tannen stehn,

Da möcht`ich schlafen gehn.

Ich gähne und breche die Lektüre ab, überspringe die Verse. Ein Blatt aus irgendeiner Knabenzeit, denke ich. Hier sei einer letztlich gelandet, nach einer Odyssee behauptet der Autor dieses Artikels. In dieser Strasse. Eine ruhige Strasse. Strasse der, seiner letzten Ruhe. Weltfahrerstrasse, Endstück.

Man könne sein – nun allerdings verwahrlostes – Grab immer noch auf dem Ostermundiger Friedhof besichtigen. Tragisch, seine letzten Tage hier in dieser Strasse, man habe nicht viele Informationen darüber, aber ein Zeitgenosse habe viele Fragen gestellt und unbeantwortet gelassen. Anrüchigkeit. Ein Herzschlag wurde als Todesursache in einen Totenschein eingetragen, aber es habe hässliche Szenen gegeben im Schönsteinweg, formerly known as Junkerngasse 41, so die genaue Adresse vor ihrer Umbenennung. Warum Umbenennungen? Ungerade Dinge. Man habe Reitpeitschenstriemen an seinem Körper gefunden. Weitere gruselige Details möchte man hier nicht nennen.

Ich lege die Seite auf den Altpapierstapel und mache mich mit einem Putztuch an dem Schrankboden zu schaffen. Der Film, der Geruch lässt sich nur schwer vom Boden lösen – ich brauche Stunden, so kommt es mir vor, bis ich mit dem Ergebnis einigermassen zufrieden bin, und räume dann das Geschirr ein.

Es ist nicht das Letzte, was ich heute zu tun gedenke, noch weitere Arbeiten sind zu erledigen, nun, nicht mehr so sehr in der eigenen Wohnung, diese sollte vorerst einen bewohnbaren Zustand erreicht haben. Aber: das Treppenhaus. Der Garten. Die Pflichten. Ich öffne den Bücherkarton mit den Lexika.

Dranmor I,4

(Laub)

Blätter fallen und werden Laub. In einem Blaumann stand ich letzte Woche auf dem Dach. Zu einer wichtigen, besonderen Tätigkeit in meinem Aufgabenbereich gehörte es, jetzt, zur Zeit der Entlaubung der Bäume darauf zu achten, dass die alte Dachrinne vor meinem Fenster im zweiten Stock sich nicht zu sehr mit herunterfallenden Blättern, mit Geäst und anderen Dingen, die bei den nun einsetzenden Wettern, den Stürmen sich auf dem Dach, in den Giebeln, vor allem aber in der Rinne verfingen, diese verstopfte und sie nach einer Verstopfung und einem dann folgendem Regen zum Überlaufen brächte, oder ihr Gewicht so stark zunehmen könne, dass sie aus den Fugen geriet, wie es schon einmal passiert sei.  Dieses Ereignis hatte sich so fest in das Gedächtnis der, wie ich feststellte eher fluktuierenden Hausverwaltung eingeschrieben, dass bei den wenigen telefonischen Kontakten, die wir hatten, jenes Thema in einer Art, Weise und Häufigkeit erwähnt und diskutiert wurde, dass mir schon angst und bange wurde.

Überhaupt käme es aber nicht in Frage, den alten Baum, wie ich vorschlug, vor dem Haus zu stutzen, gar niederzureissen, obwohl er schon bedrohlich an das Haus ragte und so ausschaute, so glaube ich immer noch, als wolle er dort hineinbrechen. Jener Vorschlag von meiner Seite wurde sehr kühl aufgenommen, fast als eine Unverschämtheit angesehen, wie ich nun vermute, und – mit dem Hinweis, alles sei mit entsprechenden baurechtlichen Vorschriften in Einklang gebracht – zurückgewiesen worden.

Ich sollte lediglich tun, wie mir gesagt wurde, das sei schliesslich nicht zu viel verlangt, an meine Funktion, und mich ansonsten um meine eigenen Sachen kümmern.

Die Freundlichkeit meiner Vermieter war von einem auf den anderen Tag verschwunden, ohne dass ich es mir erklären kann, vielleicht vermuteten sie eine in mir schlummernde Renitenz oder die Anlage, mich vor allem Aufgetragenen zu drücken. Diese Vermutung hatte ich, als ich auch wiederholt auf den wuchernden Pilz, man konnte die Ausweitung seines Radius dank meiner sauber angebrachten Messpunkte nun deutlich erkennen, aufmerksam gemacht wurde, die Akribie meiner beobachtenden und dokumentarischen Tätigkeit aber eher Missfallen erregte.

Die verlaubt Dachrinne nun also ein neuerlicher Grund der Kontaktaufnahme der Verwaltervermieter – die Nachbarn hätten sich bei ihnen gemeldet, ob sie sich denn nicht erinnerten, was passiert sei, der mittlere Teil würde durchhängen und es bestimmt nicht mehr lange dauern, bis er herunterbräche, ich sollte nun endlich handeln, ob ich denn zu gar nichts fähig sei, das in einem Brief, anbei in einer Plastiktüte ein vergilbter Arbeitsanzug, ich möge diesen doch bei der Arbeit tragen, die Nachbarn, und die Sache so schnell wie möglich über die Bühne bringen.

Mit einem Besen in der einen Hand, ich hatte ihn in der kleinen Laube unter dem Baum gefunden, mit der anderen Hand an einen Blitzableiter geklammert, in die Schräge gekrallt, versuchte ich vorsichtig in Wasser schwimmendes Laub aus der Rinne über die Kante zu befördern, der Abfluss – schon vollständig verstopft, dort müsste ich mir etwas anderes einfallen lassen. Alle Nachbarn beobachteten an diesem Samstagmittag diese Szene und schüttelten die Köpfe. Ich zog mir eine Mütze tiefer ins Gesicht, um vielleicht doch nicht erkannt zu werden, das Laub, das noch nicht am Grund der Rinne verklebt war, driftete in Richtung Abfluss, verstopfte noch mehr, ich glitt, rutschte ein-, zweimal aus, gesichert nur mit der Hand an dem Blitzableiter und stieg schlussendlich wieder durch mein Küchenfenster ins Haus.

Ich wollte an diesem Mittag einen Brief schreiben und von meiner Überforderung berichten und vorschlagen, eine professionelle Unterstützung kommen zu lassen. Ich wollte mich für mein Versagen entschuldigen und gleichzeitig signalisieren, dass ich alles unternommen hätte, mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln und Möglichkeiten dieses kleine Problem zu beseitigen. Ich wollte darin auch auf den Pilz anspielen und ihnen von meinen Rechercheerfolgen berichten, was man in so einem Falle tun könne, doch irgendwie ging mir an diesem Mittag das Schreiben nicht von der Hand und am nächsten Tag war es kein Thema mehr.

An dem darauffolgenden Mittwoch kam früh morgens ein von der Hausverwaltung bestellter Handwerker, der die Dachrinne vom Laub und die Wand vom Pilz in weniger als drei Stunden befreite. Ich quittierte seine Arbeit mit meiner Unterschrift auf einem Formular.

Am Donnerstag erreichte mich ein Anruf von der Verwaltung: Ich müsse mich nun nicht mehr um die Dinge des Hauses kümmern. Ein junges Pärchen würde bald in die Wohnung darunter einziehen, der junge Mann mache einen sehr anständigen und kompetenten Eindruck, und würde diese Aufgabe gerne übernehmen, ob ich etwas dagegen hätte?

Ich freute mich und liess mir diese Freude anmerken. Man würde mir einen neuen Mietvertrag zukommen lassen, den ich unterschreiben solle, allerdings nun aber mit einem höheren Mietpreis, da ja nun die Abwartsvergütung hinfällig sei.