Dranmor, MV3, als Band vorgestellt

So also könnte ein Bändchen aussehen, vor mir der unlektorierte, unkorrigierte, aber zur Befeuerung der Phantasie schon einmal in Form gestellte Dranmortext – die weiter zu bearbeitende Manuskriptversion 3.

Aber das Anfassen, Blättern, Gleiten; das Prüfen, ob die Struktur hält – gelingt vielleicht nur und auch oder ergänzend: haptisch.

Ein Zitat

Nachdem gestern die 3. Manuskriptversion fertiggestellt wurde und das Projekt nun sozusagen ein erstes Lektorat sucht, lege ich den doch recht umfangreichen (350 Seiten) Ausdruck beiseite, um erst einmal wieder an anderen Baustellen weiterzuarbeiten. Kein anständiger Roman aber – und schon gar nicht Dranmor – beginnt ohne anständiges Anfangszitat, um die geneigten Lesenden schon in die rechte Richtung der Bühne zu schicken, auf der das Heu liegt. Also ist hier meine erste Auswahl, in einer Übersetzung aus der wieder erinnerten Mad Tea Party:

Alice kam die Erleuchtung. „Sind vielleicht deswegen so viele Teesachen gedeckt?“, fragte sie.

„Allerdings“, seufzte der Hutmacher; „es ist ständig Zeit zum Fünf-Uhr-Tee, und zum Abspülen kommen wir nie.“

„Dann macht ihr also langsam die Runde um den Tisch, oder?“ erkundigte sich Alice.

„Genau, sagte der Hutmacher“; „sobald ein Gedeck benutzt ist, rücken wir eins weiter.“

„Aber was passiert dann, wenn ihr wieder zum Anfang zurückkommt?“, fragte Alice beherzt weiter.

„Wie wärs denn, wenn wir von etwas anderem sprächen“, fiel der Schnapphase ein und gähnte.

aus: Lewis Carroll, Alice im Wunderland – zit. nach der Übersetzung von Christian Enzensberger in der Insel-Ausgabe von 1963

Dranmor: Zyklen/Spiralen, zum 10. Kapitel

Tatsächlich, nun scheint ein Knoten geplatzt. Nachdem ich mich nun langsam wieder dem Ende des 9. Kapitels annähere, liegt plötzlich – wieso bin ich nicht vorher darauf kommen? – die einzig mögliche Variante um das Romanende vor mir, als wäre es schon lange so geplant. Ja, als wäre der ganze Text darauf angelegt.

Nach dem offenen Ende im 9. Kapitel (es ist nicht genau festgelegt, ob denn nun der Erzähler davonfliegt oder ob es sich um einen Suizidsprung von der Aarebrücke handelt), wird sich der Erzähler im 10. Kapitel aus seinem Bett erheben und mit der Niederschrift einer Romanstruktur beginnen.

Die entstandene Materialiensammlung zum Text und der Text “dranmor überschreibungen”, die ursprünglich als Kap. 10 geplant waren, werden also wieder aus dem Manuskript gelöst, werden aber vielleicht für Interessierte zum freien Download bzw. als Heftchen angeboten.

Bei den Strukturskizzen, also der Niederschrift handelt es sich aber um nichts anderes als dem hier und hier erwähnten Plotsheet (dem man noch einen anderen Namen geben wird), das sozusagen eine spezifische Lektüre bzw. die “Inhaltsangabe” (wenn man so möchte, denn freilich steckt in dieser Abbildung viel mehr und viel weniger als im tatsächlichen Haupttext) des vorangegangenen Textes anbietet.

Am Ende der Niederschrift der Struktur wird sich der Erzähler an die Arbeit machen und diese zu füllen beginnen, was natürlich wiederum zu dem Beginn des Romans führen wird.

Im Grunde, so eine Funktion dieses Ansatzes, wird hier also an einer unendlichen Spirale gearbeitet, bzw. diese abgebildet bzw. Mechanismen des Wechselspiels zwischen Lesen/ Schreiben/ Verstehen, tatsächlich also eines hermeneutischen Zirkels ausgestellt. Ein weiterer, positiver Nebeneffekt ist natürlich das inhaltliche Gerüst in Registerform, das nicht alleine lässt, wenn man in den jeweiligen, auch sprachlich durchaus unterschiedlichen Assoziationsräumen und Annäherungen verloren geht. Ich hoffe also, mit diesem Verfahren wird der Text eine im buchstäblichen Sinne runde Sache.

Dranmor Korrespondenz 5

Aus einem Mailwechsel mit J.D.

(…) Das freut mich ja, dass sie den Aufsatz schon “entdeckt” hatten, es zeigt, dass Artikel im Internet doch mehr gelesen werden als man manchmal meint. Wie Sie aus dem Aufsatz haben ableiten können, bin ich an einem grösseren Projekt über die schweizerische Auseinandersetzung mit Brasilien beschäftigt. Nach einem Gespräch mit H. L., einem Autor, der für meine Arbeit sehr wichtig ist, da er sich ausführlich mit Brasilien auseinandergesetzt hat, hat sich die Idee ergeben, eine Ausstellung zu diesem Thema zu organisieren. In diesem Zusammenhang hätte ich gerne gewusst, ob Sie im Laufe Ihrer Dranmor-Forschung auf Dokumente gestossen sind (Briefe, Fotos, Zeichnungen, usw.), die man als Ausstellungsobjekte benutzen könnte und, wenn ja, ob Sie Interesse daran hätten, an einer (möglichen) Ausstellung mitzuarbeiten. Herzliche Grüsse, J.D.

Lieber Herr D.,

wenn ich Ihnen da helfen kann, bin ich da gerne zu Diensten. Was ich an Dokumenten schon in Händen hielt, finden Sie (mit den gekennzeichneten Ausnahmen, ich glaube, ich habe Ihnen den Link schon einmal geschickt) hier: link

Für eine Ausstellung könnte man, kämen sie an andere Ausgaben nicht heran, diese sicher zur Verfügung stellen. (Ich habe zwei Bilder/Stiche* von D. gefunden, diese sind in der erwähnten Literatur abgebildet, sonst habe ich keine weiteren Autographe1 etc. ermittelt). Was eine Mithilfe an der Ausstellung angeht: ich hätte auch da sicher Interesse. Ich hoffe nur, Sie verstehen mich nicht als Dranmor-Experten. Ich könnte in diesem speziellen Fall nicht als Literaturwissenschaftler oder -historiker etc.auftreten. Mein Romanmanuskript Dranmor behandelt den Dichter lediglich als Folie bzw. Katalysator, der einen unzuverlässigen Erzähler (auch einen “Mann des Übergangs“) zu schreiben veranlasst. “Dranmor” wird damit eher zu einem Symbol für ein nicht mehr zu bewältigendes oder kohärentes Schreiben. Natürlich wird in dem Manus auch stark mit Versatzstücken aus der entsprechenden Primär- und Sekundärliteratur gearbeitet …. Wenn Sie trotzdem eine Möglichkeit sehen, können wir da gerne darüber sprechen. (…)

* hier bspw., modifiziert, und hier

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nachtrag:

gerade fällt mir noch etwas ein: sollten sie noch keinen ausstellungsort haben, bzw. darüber nachgedacht haben – ich könnte, wenn das von interesse wäre, einen kontakt herstellen zur öffentlichkeitsarbeit der stadt- und universitätsbibliothek bern (dranmor ist ja auch sozusagen ein “bernense” und gehört zu dem sammelkonzept der stub), die laufend ausstellungen in dieser form plant und umsetzt. (bis ende 2007 sind die kommenden ausstellungen, wie ich gerade erfahre, schon verplant). hier finden sie schon einmal erste eindrücke (…)

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1 diese situation hat sich mittlerweile verändert, d.h. zumindest 1 autograph wurde von mir gefunden (vgl. hier)

(…) Vielen herzlichen Dank für die Hinweise, es freut mich, dass Sie bereit sind, an einer Ausstellung zu dem Thema Schweiz-Brasilien mitzuarbeiten. Dranmor wäre dabei sicherlich von Bedeutung, aber die Ausstellung würde selbstverständlich über diesen einen Autor hinausgehen, daher muss sie nicht unbedingt in Bern organisiert werden. Aber Bern wäre sicherlich günstig, nicht zuletzt wegen der geographischen Nähe zur französischen Schweiz und wegen der Zusammenarbeit mit der brasilianischen Botschaft. Im Moment bin ich noch dabei, eine ausführliche Liste möglicher Exponate zu den einzelnen Autoren zusammenzustellen. Sobald ich diese fertig habe, gehe ich auf der Suche nach finanzieller Unterstützung und nach einem geeigneten Ausstellungsort. Die Stadtbibliothek Bern wäre sicherlich eine interessante Möglichkeit, vielleicht hätte aber auch die Nationalbibliothek Interesse (was die Zusammenarbeit mit dem dortigen Blaise Cendrars-Institut erleichtern könnte), darüber hinaus habe ich selber auch eine gute Beziehung in der Zürcher ZBZ und im Zürcher Strauhof. Ich bin schon davon überzeugt, dass wir am Ende etwas Schönes daraus werden machen können. Herzliche Grüsse aus Porto, (…)

(…) Ich möchte Sie an dieser Stelle noch über einen weiteren potentiellen Ansprechpartner informieren. Ein Freund von mir, der Germanist Markus A. Hediger, der selbst auch schreibt (http://www.skypaperpress.com/) hat lange Zeit in Brasilien gelebt, beschäftigt sich auch mit Brasilianischer und Dt. Literatur, und spricht fliessend Deutsch und Portugiesisch. Er vertritt in diesem Zusammenhang, wie er sagt, sozusagen die Umkehrung der Perspektive und bezeichnet sich als schreibender Exilbrasilianer in der Schweiz. Einen Eindruck von seiner Arbeit erhalten Sie auch in dem zweisprachigen Weblog avenida perdida. (…)