Winter!

Hey, Winter, dass du eins mal weißt:

Für mich bist du das Allerletzte.

Nichts gibt es, was mich mehr entsetzte.

Wer dich kennt, weiß, was hassen heißt.

Marquis von Schlamm, Schlick, Glitsch und Matsch,

Herr jener schalen, trüben Pampe

im fahlen Schein der Straßenlampe

auf eisigen, verwaisten Wegen.

Und tausend Arten Schnee und Regen.

Das, Winter, ist doch alles Quatsch!

Fürst von Verfall und zu Verwesung,

wie alles Bunte, Blätter, Blumen,

zergeht zu kargen, toten Krumen!

Du bringst mit klirrend kaltem Schrecken

komplette Völker um die Ecken.

Libellen. Grillen. Hummeln. Falter.

Das nehmen wir dir übel, Alter!

Du brauchst mal ‘ne Levitenlesung.

Baron von Faul und Falb und Fahl,

in deinen tiefgekühlten Welten

herrscht Niesel, Nebel, Not, Erkälten,

Vergehn, Verdorren, Tod, Verenden

und scharfes Ziehen in den Lenden.

Wenn’s dich nicht gäb – mir wär’s egal.

Du nervst nur, grauer klammer Graf,

kaltblütigster der Diktatoren.

Durchlaucht von rot verfrornen Ohren,

mach doch mal einfach Winterschlaf!

taz > (GROa)

Igel-Warnung

Die Igel tragen Stachelkleider

nicht nur aus reiner Eitelkeit.

Ihr lanzenscharfer Leib dient leider

der Ausbreitung von Gram und Leid.

Der Igel stiehlt auf der Plantage,

indem er durch die Ernten rollt.

Und sich – die pure Sabotage –

dann fruchtbespickt von dannen trollt.

Auch ziehen junge Igelbanden

laut randalierend durch das Land.

Sie werfen sich von Fahrbahnranden

vor Autoreifen. Allerhand!

Hüpft froh ein Kind durch die Alleen

mit einem bunten Luftballon,

muss man oft Stacheltiere sehen,

die sich drauf stürzen. Dann macht’s: “Pong!”

Selbst mit dem Ball bei Halbzeitpausen

tauscht sich der Igel hämisch aus,

um Profifüße zu zerzausen.

Darum spielt Poldi derart kraus.

Kurzum: Der Igel kennt nichts Gutes.

Ist etwas hässlich und gemein,

gar bösartig – im Igel ruht es.

Der Igel ist nämlich ein Schwein.

Drum, wenn ihr einen Igel sichtet

im dämmrigen Novemberlicht,

seht zu, dass ihr ihn unterrichtet:

“Du, Igel, so was tut man nicht!”

taz > (GROa)

Die Verhandlung

Ein blödes Schaf geht vor Gericht.

Es glaubt an seine Blödheit nicht

und will dagegen klagen,

den Titel “blödes Schaf” zu tragen.

Zur Verhandlung der Beschwerde

sucht es nun die Schafsbehörde.

Doch findet’s nicht zum Schafsgericht.

Blöd zwar – unpünktlich aber nicht –

geht es am Dreizehnten, Punkt zwölfe,

versehentlich zum Saal der Wölfe.

Hier kommt man eilig überein:

“Blöder kann ein Schaf nicht sein!”

“Das Urteil”, so spricht Euer Ehren,

“ist Todesstrafe durch Verzehren!”

taz > (GROa)

Mein kleines AKW

Ich hätte gern ein AKW.

Mir reichte schon ein kleines.

Vielleicht neben dem Kannape?

Egal. Hauptsache: Meines!

Schafft so ein Ding in Form von Volts

doch allerlei Milliarden.

Und das ist jede Menge Holz

für einen armen Barden.

Ich schüfe endlich was, das bleibt:

‘nen Jahrmillionen-Nachlass.

So lange hält nichts, was man schreibt.

Voll cool, so ein Atomfass!

Im Abendrot säß ich dann froh

daheim vor meinem Meiler

und läs zu vier, fünf Veuve Clicquot

die Shakespeare-Vierzehnzeiler.

Santé! Und gern spendierte ich

Freund Staat, dem dicken Mädchen

und ihrem Umweltwichterich

auch mal ein Windstrom-Rädchen.

Ich gäbe hier, ich gäbe da,

ich gäb aus freien Stücken.

Der Fiskus ist so pleitenah,

dass die sich sehr tief bücken.

Mit Zaster hielt ich sie auf Trab.

Denn selbst wenn die wen hassen,

sie kümmern sich, gibt er was ab,

um unbequeme Massen.

Meint: Nöler, die dagegen sind,

die Transparente malen.

Und zweitens: Jenen Abfallgrind

und sein abnormes Strahlen.

Es liefe gut. Und lang. Zum Glück

sind Laufzeiten recht offen.

Ich wäre reich und froh und dick.

Kann man noch mehr erhoffen?

Ja, eins: ‘ne Medizinfabrik

– so nebenbei als Hobby.

Hat Pharma in der Republik

doch auch ‘ne Spitzenlobby.

taz > (GROa)

Ein Habicht auf der Autobahn

Der Habicht hockt an der A6

auf einer Notrufsäule.

Entspannt – er hatte gestern Sex.

Befrühstückt – junge Eule.

Und selbstbewusst – ein Pfützchen Beck’s.

Herr Hawk, beflügelt von dem Bier,

will fette Beute schlagen.

“Ein edles, stolzes, starkes Tier

gleich mir muss Großes wagen!

Was Neues! Wahres! Jetzt und hier!”

Der Ferien-vorbei-Verkehr

verströmt sein rosa Rauschen.

Der Habicht kennt kein Ringsumher,

wird Suchen, Zielen, Lauschen.

Scharf gehen gelbe Augen quer.

Die Spitzmaus da am Standspurrand

scheint ihm wohl kaum gewachsen.

Ein Gleiches, denkt er arrogant,

gilt dort für diesen Dachsen.

Zu dick. Zu dumm. Zu ungalant.

Und unausweichlich fasst der Blick

den Truck, “Heinz” drauf zu lesen,

schon recht bejahrt, doch rund und dick

und ganz schön schnell am Pesen.

Der Habicht spricht: “Hab icht ein Glück!”

Es spreizt mit dumpfem Flügelklatsch

sich schwarzgezackt Gefieder,

stößt ab, steigt steil und stürzt zum Touch

Down auf das Opfer nieder.

“Du, Heinz?” – “Ja, Schatz?” – “Was fliegt da” Flatsch!

taz > (GROa)