Sipuro (notula nova 11)

„Sofern man seiner Berufung gewiß, über die Lächerlichkeit, Schriftsteller zu sein, erhaben ist, gibt es überhaupt nichts Lächerliches mehr und man kümmerts sich nicht mehr darum.“ (Friedrich Schlegel, Fragmente)

Überhaupt: die Inkommensurabilität aller Wörter. Und Personen.

(SIPURO, Bad – Salle de Bain. Stärkere Formel. Löst Kalk und entfernt Seifenreste gründlich … Ein Gartenzwerg vor einer strahlenden Wanne. Mit einer Sprechblase: „Oho!“)

Details, knapp oberhalb der Wahrnehmungsschwelle. Im Kontext grellen Blinkens.

Da! Ein Knall! Ein Donner! Die Fensterscheiben zittern. Und das Herz schlägt schneller. Was kann in diesem verschlafenen Tal so ein Geräusch produzieren? Ein Erdrutsch? Eine Kraftwerksexplosion? Ein Flugkörper, der die Schallmauer durchbricht? Ich bringe mich in Sicherheit.

„Neulich hatte ich mal wieder eine Idee zu einer neuen Zeitschrift, die natürlich kein Mensch finanzieren wird. Diesmal sollte sie „Gegenstand“ heissen, vielleicht um ein eingeheftetes englischsprachiges Insert auf hellblauem Papier erweitert, das man dann „Object“ überschreiben könnte. Diese Zeitschrift würde sich – ganz ohne äusseren Anlass – als Gegenstand ausschliesslich den kleinsten beschreibbaren und diskutierbaren Einheiten der Künste widmen: also der einzelnen Arbeit des Künstlers, nicht der Ausstellung, Hängung oder dem kuratorischen Gedanken, dem Song, nicht dem Album, dem Satz, nicht der Symphonie, der Episode, nicht der Serie etc.“ (Diedrichsen, Eigenblutdoping, 193)

Was wäre dieses „etc.“ im Literarischen? Hier (und nur hier) eine Berührung des Denkens mit Barthes (Vorbereitung des Romans) und den Thesen zum Haiku feststellen.

Zwei sichtbare, physische Effekte des ungewohnten Landlebens: Hornhaut an den Füssen. Insektenstiche, zu entzündeten Beulen angeschwollen.

Die CV-Narration-Biopic-Verblödung.

Landschaftsvermessung

Zwischen Innen und Aussen

Die Fliegengitter

Am Ende (notula nova 10)

Nun vermag ich nicht zu entscheiden, ob – am Ende eines Tages – zu sagen, „nun habe ich gelesen, aber nicht geschrieben“ oder umgekehrt, das unangenehmere Fazit ist.

„Das Schreiben ist das Ziel, nicht das Buch“ lautet der Titel eines Buches zu Urs Widmers 70. Geburtstag. (Wer hat noch nicht nach einem Verdauungsprozess das Resultat bestaunt oder bezweifelt?)

Und: Leben: verdammt sein zu tun.

Nebelsuppe nennt es das Kind. Wie ein dünnes Brett, eine Stange, schiebt sich die Wolkenschicht über den See. Ich balle meine linke Faust, oder forme sie, als wollte sie zupacken. Mit dem Zeigefinger der rechten drücke ich auf den Auslöser. Werde Zeus oder eine andere Gottheit, die diese Erscheinung begreift.

Alleine im Haus

Die Fensterläden schliessen

fast automatisch

Herr Holle (notula nova 9)

Dieses oder jenes kann man nur mit einem Stift denken.

(Und der See neigt heute eher ins Blaue. Seltsame Interferenz mit dem Sonnensegel in orange. Wechselseitige Missgunst. Ein böses Omen? Nachdenken über das Selbstbewusstsein von Farben. Über ihre Selbstbehauptung.)

Semper fidelis

Waldstättia

Alemannia

Zähringia

Burgundia (Diese im Zweispänner)

(Die Kultur der Burschenschaften. Die (gute?) alte Zeit. Die Fresken an der Wand des Partykellers, Cantina genannt. Emblematik auf Aschenbechern, Bierhumpen und Tassen. Der Kult der Wappen und verschwurbelten Majuskeln mit Exklamation, z.B.: B!)

„Ein kleines Beet mit blühenden Bohnen verbreitete einen feinen, lieblichen Heliotropduft; den aber trug uns nicht die heimatliche Brise zu, sondern ein wilder neufundländischer Wind, der keine Beziehung zu der fremdländischen Pflanze hatte, keine aus Erinnerung und schwelgerischem Behagen gespeiste Sympathie. In diesem Duft, den keine weibliche Schönheit einatmete, in ihrem Busen verfeinerte und auf ihren Spuren verbreitete, in diesem Wohlgeruch, den man unter eine andere Sonne, in eine andere Kultur und in eine andere Welt versetzt hatte, lag die ganze Melancholie der Sehnsucht, der Trennung und der Jugend.“ (François-Rene de Chateaubriand, Erinnerungen von jenseits des Grabes)

Von Herrn Holle weiss man nicht viel. In den meisten Erzählungen hält man ihn für keiner Erwähnung würdig. Ich stelle ihn mir als alten, ergrauten Mann vor, der in einem Hinterzimmer schweigend eine Zeitung liest.

Windbruch (notula nova 8)

Am Sonntagmittag verlassen die Gäste das Haus. Ich lasse das Wasser aus dem Bassin und spritze es ab. Aller Voraussicht nach werden die Zigaretten reichen, bis die Geschäfte wieder öffnen.

Rosenbuschdornen

Obszönität der Natur

Bildreligion

Geträumt, ein Adlerpärchen hätte sich in meinem Zimmer eingenistet. Ich konnte die Vögel vertreiben. Die Reinigung des Raumes nahm Ewigkeiten in Anspruch. Dann: In einem Zug von Hall zu einem Freund nach Berlin. Nie dort angekommen.

Sommerbericht // Der nicht mehr beschrittene, der / umgangene Thymianteppich. / Eine Leerzeile, quer / durch die Glockenheide gelegt. / Nichts in den Windbruch getragen. // Wieder Begegnungen mit / vereinzelten Worten wie: / Steinschlag, Hartgräser, Zeit. (P. Celan)

(Die Pferdebremsen haben sich spezialisiert. Das Antibrumm wirkungslos. Der Umbruch: geräuschlos. Die Wörter auch: Fassade, Betonriss, Leben).

Die Badenden (notula nova 7)

Das Gras ist nieder. Der Feigenbaum trägt dieses Jahr zwei Früchte mehr. Die Frösche sind schon am morgen heiser. Das Schwimmbad auf der gegenüberliegenden Seeseite öffnet früh. Man kann sie nicht sehen, die Badenden, aber der Wind trägt Stimmen der Heiteren über die Wasseroberfläche. Eine Schwanenfamilie rüstet sich am Ufer. Bald werden die Birnen reif sein. Und mit ihnen das gesamte menschliche Geschlecht.

In der NZZ: Wenn Volksmusik im Radio ertönte, hiess es bei uns in Zürich einst: “Stell ab. sonst regnet’s morgen.”

Noch zu schreibende Ratgeberliteratur: “Belohnungsaufschübe wirksamer gestalten”.

Und: „Das gelungene Kind“.